EXPO Journal, Pavillon des Tages
Montag, 3. Juli 2000
Von Peter Michael Heine-de Wiljes

Als Laus unter dem Buchenblatt Wie eine Blattlaus fühlen können sich die Besucher eines Pavillons, der gar nicht auf dem EXPO-Gelände steht, sondern daneben. Das sehenswerte Bauwerk, dessen Dach einem Buchenblatt nachempfunden ist, befindet sich mitten auf dem Gelände der Agri 21, der großen Schau der Landwirtschaft, die parallel zur EXPO zum kostenlosen Besuch einlädt. Der ganze Pavillon ist aus Holz; Hauptträger des Daches ist der zwölf Tonnen schwere Stamm einer 56 Meter langen Douglasie. Auch die Fassade ist in dieser Art noch nie gebaut wurden. Statt einer Bretterverschalung wurden besonders gestaltete Glasscheiben eingesetzt, die auch den Blick nach innen gestatten. "Unser Hauptanliegen, war es zu zeigen, wie Altglas zum Bauen verwendet werden kann", erläutert Peter Linke, der zusammen mit seinem Künstlerkollegen Jens Roth mit einem Sandstrahler Ornamente in die Scheiben eingefräst hat. Sie zeigen die Küstenlinie von Nord- und Ostsee; "Die Küste steht für Weltoffenheit, ebenso wie die EXPO", sagt Linke. Das Innere des Pavillons ist gestaltet wie eine Pflanzenzelle. Der Kern etwa sieht aus wie ein angebissener Apfel. Bei einem "Rundgang durch die Zelle" können die Besucher erleben, wie Pflanzen als Rohstoffquellen genutzt werden. Stärke aus Kartoffeln, Weizen und Mais findet sich beispielsweise in Kosmetika oder Zahnpasta wieder.Aus Hanf- und Flachsfasern werden Schutzhelme hergestellt. Der Blattpavillon hat viele Väter: Außer den Künstlern Linke und Roth sind es das Architekturbüro Quark (Quedlinburg) für den Entwurf, die hannoversche Firma Unikate für den Innenausbau und die baden-württembergische Firma Terra Limes, die den Baustoff Kytos (altgriechisch für Zelle) entwickelt hat. Hinter diesem Namen verbirgt sich nichts anderes als ungehobeltes Abfallholz, das nach Auskunft von Terra-Limes-Geschäftsführer Markus Klein eine bessere Wärme- und Schalldämmung bietet als anderes Holz. Gebaut wurde der Blattpavillon in vier Wochen von der Werkstatt Hannover, die Jugendliche und Langzeitarbeitslose durch Mitarbeit an interessanten Projekten neu motiviert. Ob der Pavillon stehen bleibt, ist noch ungewiss, dauerhaft gebaut ist er. Klein: "Der ganze Niederländische Pavillon könnte ihm aufs Dach gestellt werden, und er würde immer noch halten.



Die Welt vom 5.08.2000
Ein EXPO-Pavillon als Buchenblatt demonstriert ökologisches Bauen
Von Katrin Linke

Hannover - Ein ungewöhnliches Buchenblatt liegt vor dem EXPO-Eingang Ost. Es ist Ausdruck neuer Wege bei der Verbindung von Ökologie und Design im Hausbau, die jetzt die Landwirtschaftskammer Hannover im Rahmen des EXPO-Projektes Agri 21 beschritt. Unter dem Motto "Neue ökologische Ästhetik des Bauens" bot sie das Forum für die innovative Zusammenarbeit von Architekt, Bauherr und Künstler. So entstand ein Pavillon, der in ungewohnter Harmonie sägeraues Holz und sandgestrahltes Glas vereint. Das 600 Quadratmeter große Bauwerk, dessen Mittelachse eine 64 Meter lange kanadische Douglasie bildet, die vom Bodenbereich auf sieben Meter an der Blattspitze ansteigt, versetzt den Besucher in eine Zwergenperspektive, in der er das Innere eines Buchenblattes durchwandern kann. "Das Blatt ist Symbolträger für organisches Wachstum und wurde deshalb als Leitidee für den Entwurf des Pavillons gewählt", erläutert Tobias Weyhe vom Architekturbüro QuArK in Quedlinburg. Basis dieses ungewöhnlichen Gebäudes bildet der von dem baden-württembergischen Unternehmen terra Limes International entwickelte Systembaustoff Kytos (griechisch: Zelle, Schild). Die Wandelemente im Holzrahmenbau können uneingeschränkt aus heimischen Hölzern der jeweiligen Bauregion gefertigt werden. "Hierbei wird Seitenware der Baumstämme genutzt, die bisher allenfalls beim Köhler landete", erklärt Markus Klein, Geschäftsführer von Terra Limes. Somit sei Kytos nicht nur ein moderner, sondern auch voll ökologischer Baustoff. Als Weltneuheit gilt das Gewand, in das sich der Pavillon hüllt. Es besteht aus einer einzigartigen Holz-Glas-Fassade, die von dem Göttinger Künstler Peter Linke entworfen wurde. Glasscheiben aus Altglas verkleiden die mit Naturfarben bedruckte sägeraue Fassade, ohne sie zu verdecken."Durch Sandstrahlen entstanden matte ornamente, die als deutsche Küstenlinie rund um den Pavillon laufen und symbolisch für Weltoffenheit stehen", so Linke. Im Inneren des Blattes können Besucher sinnlich erfahren, wie Pflanzen Sonnenlicht in pflanzliche Rohstoffe umsetzen. So werden auch neue Erkenntnisse über die Nutzung solcher pflanzlichen Rohstoffe vermittelt. Aus Hanf- und Flachsfasern lassen sich beispiels-weise Schutzhelme oder Autoinnenverkleidungen herstellen, aus Stärke abbaubare Verpackungsmaterialien wie Folien oder Blumentöpfe. Aufgebaut wurde der Blattpavillon durch die Werkstatt Hannover GmbH, die mit viel Engagement Jugendliche über solche Projekte ausbildet. Ob der Pavillon stehen bleibt, ist noch ungewiss. "Er kann problemlos abgebaut und an einem anderen Plazt wieder aufgestellt werden", so Klein. Kostenlos besichtigen können ihn Besucher auf dem Gelände der Agri 21, der großen Ausstellung der Landwirtschaft, noch bis Ende Oktober.



pl-art auf der Weltausstellung EXPO 2000 in Hannover

Im Rahmen der EXPO 2000 war pl-art göttingen durch zwei unterschiedliche Projekte präsent, im Bereich Grafikdesign und im Bereich Kunst am Bau. Gefördert durch das Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten und dem Land Niedersachsen sowie der Landwirtschaftskammer Hannover als Projektträger wurde der Blattpavillon auf dem Agri21 Gelände realisiert. Er bildete das Zentrum der Ausstellung "Nachwachsende Rohstoffe" an der sich mehr als 60 Teilnehmer, u.a. die Bundesforschungsanstalt für Landwirtschaft, das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt e.V., die Universitäten Hamburg und Hannover beteiligten. Verantwortlich für die Präsentation entwickelte pl-art göttingen das Grafikdesign. Für die Headlines wurde, in Zusammenarbeit mit coloRoth Bremen, ein neu gestaltetes Alphabet entwickelt was sowohl auf den Plakaten, den Flyern, auf den hängenden Displays und später in der künstlerischen Fassadengestaltung des Pavillons Verwendung fand. Grundlage hierfür war die Verschmelzung von konzeptioneller Gestaltung mit dem Grund-anliegen, der Nutzung nachwachsender Rohstoffe. Die einzelnen Buchstaben orientierten sich spielerisch an Kartoffeldruckbuchstaben und standen für informative Lebendigkeit ohne belehrenden Charakter. Durch Synergie von Kunst und Information wurde die Kartoffel symbolische Ausgangskomponente zukunfts-weisender Informationen auf dem Gebiet Nachwachsende Rohstoffe. Die gewählte Farbigkeit reflektierte die Naturdominanz im Pavillonumfeld. Die Holz - Glas - Fassade des Blattpavillons Der Pavillon in Form eines Buchenblattes (Dachfläche 600 m2, maximale Höhe 7.50 Meter) wurde, nach einem Entwurf des Architekturbüros QuArK, komplett aus Holz gebaut. Die Wände des Blattpavillons wurden aus dem neuen Systembaustoff Kytos hergestellt. Die Herausforderung der Aussenwandgestaltung bestand darin, die Kytonen mit einer Verkleidung zu versehen, ohne sie hinter einer Fassade zu verstecken. Die gesamte Fläche war ca. 170 m2 groß. Die von pl-art entwickelte Holz-Glas-Fassade erfüllte diese Anforderung und eröffnete dreideminsionale Gestaltungsmöglichkeiten für die Kunst am Bau. Kunst am Bau Die Konzeption und künstlerische Realisation erfolgte in Zusammenarbeit mit coloRoth Bremen. Die Entwurfsentwicklung verlangte die Integration folgender Vorgaben: 1. architektonische Gegebebenheit (170 m2 gebogene, ansteigende Wandfläche) 2. Anspruch des Sponsors Terra Limes international (Sichtbarkeit des Systembaustoffs) 3. Repräsentation der Aussteller (LWK Hannover/Niedersachsen, Bundeslandwirtschafts-ministerium etc.) 4. Reflektion des Ausstellungsthemas (Nachwachsende Rohstoffe) Philosophie und Realisation Die konzeptionelle Lösung folgt einer Philosophie des natürlichen Wachstums. Neue ökologische Ästehtik ist keine Reduktion auf Biologisches, sondern Rekreation der Natur nach Maßgabe ihrer ästhetischen Prinzipien auf dem Wege künstlerischer Abstraktion. Das thematische Hauptmotiv ist die geographische Küstenlinie Deutschlands als symbolisches "Tor zur Welt". Der Anstiegswinkel der Küstenlinie Niedersachsens entspricht dem Anstiegswinkel des Blattdaches. Die natürlichen Struckturen von Blattadern und Flussläufen waren das Vorbild für formale Elemente der Gestaltung, die in mehreren Ebenen erfolgte: 1. Untergrund: Farbe auf Holz (malerisch) 2. Bestempelung: Farbe auf Farbe (grafisch, sprachlich) 3. Oberfläche: Micromattierung auf Glas (grafisch) 4. Schatten (Prozesscharakter, dynamisch) 5. Spiegelung (Reflexiion der Umwelt) Auf gemalten Linien gestempelte Buchstaben ordnen sich in die freie Gestaltung des Ge-samtkonzeptes ein. Die Glasoberfläche wurde durch Micromattierung (Sandstrahlung) um nichttransparente Bereiche erweitert. Diese bilden im Zusammenspiel mit dem Lauf der Sonne zeitspezifische Schattenbilder. Die winkelabhängige Betrachtung der Holz - Glas - Fassade variiert zwischen Spieglung und Transparenz. Die Fassade als Resultat von Kunst, Funktionalität und natürlicher Rhytmik bietet individuelle Betrachtungsmöglichkeiten.



Kindergarten Schnaufine
Entwurf: Peter Linke, pl-art göttingen

Kerngedanke dieses Entwurfes ist, daß ein Haus für Kinder auch als solches erkennbar wird, unverwechselbar ein wesentlicher Teil ihrer neuen Erlebniswelt. Das Motiv Eisenbahn ist Sympatieträger und darüber hinaus Symbol für die Einbettung in unsere Kultur und Geschichte: Lokomotive= Tradition (sinnerhaltend), Fahrt = Innovation (sinnschaffend). Die gewählte Anordnung der Waggons in Kreisform bietet funktional und psychologisch den Schutz einer Wagenburg. Es entsteht ein von allen Seiten zugänglicher Innenhof für die Interaktion der verschiedenen Gruppen. Die Gestaltung stellt Erfahrungswelten in Form situativer Arrangements bereit, die Wahrnehmungs- und Bewegungsprozesse anregt, in dem sie die elementare Spiel- und Sinnesfreude anspricht. (Hügel, Kletterbäume, Hecken- labyrinth, Naturmaterialien etc.) Zwischen diesem Erlebnisbereich und den Räumen ergiebt sich ein oberlichtdurchfluteter Übergangsraum, der in Schlechtwetterperioden nutzbar ist. Großzügige Terassen bilden dezentrale Aktionsbereiche für Aktivitäten kleinerer Gruppen. Die Farbgestaltung der Räume unterscheidet nicht nur die Altersstufen der einzelnen Gruppen, sondern differenziert Spiel- und Bewegungsräume in ihrer Farbigkeit auch von den Gruppenräumen. Die Gruppenräume werden nach farbpsychologischen Regeln in den Vorzugsfarben der jeweiligen Altersklassen gestaltet. Beispielsweise wird eine Ausgewogenheit von Anregung und Entspannung für die Jüngsten durch Maigrün und Pfirsichblüt erziehlt. Spiel- und Bewegungsräume benötigen eine großflächige Gestaltung in Variation der sechs Farben des Farbkreises und die Anpassung von Farbintensität und Farbsättigung an bestehende Lichtverhältnisse. Hierbei werden Modulationen der einzelnen Farbflächen durch Lasur-, Wisch-, Wickel- und Spachteltechniken eingesetzt. Hinzu kommen die Möglichkeiten der Aufteilung in kleinere Farbräume mittels farbigen Tüchern und Rollos. An der Aussenseite des Gebäudekomplexes entstehen an den Übergangspunkten der Waggons (Gruppenräume) windgeschützte Gartenflächen, die Möglichkeiten der Naturerfahrung schaffen. (Biotope, Bepflanzung, Frühbeete etc.) Dieser Kindergarten unterstützt die allseitige Förderung der Kinder (Entspannung, Sinnesschulung, Psychomotorik, Fantasiereisen...). Er ist sowohl in Holzbauweise (Kytonen) als auch als Massivbau ausführbar.



Kinderturm

Im Unterschied zum Konzept ` Schnaufine`, die den klassischen Anforderungen einer Kindertagesstätte und den Einsatzmöglichkeiten zeitgemäßer Pädagogik Rechnung trägt, orientiert sich die Gestaltung des Kinderturmes an den Aufgaben eines Kinder- und Jugendzentrums. Der Turm steht nicht gegen sein Umfeld sondern für die zu schützenden Interessen der Kinder und Jugendlichen - er ist ein Ort ihrer Sicherheit! Die unterschiedliche Größe und Raumaufteilung der Entwürfe entspricht den verschiedenen Anforderungen der Nutzung. Der Entwurf "Turm 1" ist als zentraler Anlaufpunkt konzipiert, der variabel genutzt werden kann. Im Erdgeschoß befinden sich die sanitären Einrichtungen, ein Büro und ein Mehrzweckraum. Das obere Stockwerk ermöglicht durch eine umlaufende Veranda Einsicht in alle Richtungen des Umfeldes. Im Zentrum des oberen Stockwerkes befindet sich der Spiel- und Erlebnisraum. Die Raumhöhe von 4 Metern, die großzügigen Fenster und das Oberlicht schaffen eine besondere Atmosphäre.



Farbgestaltungskonzept Kinderturm
von coloRoth Bremen

Im Eingangsbereich(Foyer): Gelb der Fassadengastaltung wird in den Innenraum geführt und mit Grün kombiniert ( Lasur in Wischtechnik mit Leinos-Naturfarben: Maisgelb und Spinellgrün). Treppenaufgang: Grün beginnt im oberen Bereich des UG sich aufzuhellen - im OG Verlauf zu Sonnengelb. Dachgeschoss: lichte Gelblasuren, die sich im oberen Bereich der Dachschrägen ins Pfirsichblüt steigern. An den Balken werden Haken für Schaukel und Hängematte befestigt. Als Ausstattung empfohlen: Weichbodenmatten, Matratzen, Schaumstoffbausteine. Atmosphäre: Leichtigkeit, Entspannung, Besinnung geeignet für ruhige Spielsituationen, Entspannung, Körpererfahrung(Gegenpol zum Aussenbereich: ausgelassenes Spiel, Toben...) Übungs-/ Hausaufgabenraum: Decke in sonnengelb(Pastell), Stirnwand: Spinellblau(Pastell), die anderen Wände: Weißvariationen